05.09.2024

COVID-19 | Postulatsbericht zu Auswirkungen von Corona auf ältere Menschen und Menschen in Heimen publiziert

Der vom Bundesrat vorgelegte Bericht basiert auf diversen Studien, an denen ARTISET und die Branchenverbände mitgearbeitet haben. Viele der gewonnen Erkenntnisse lassen sich für die Entwicklung von Strategien und Massnahmen zur Pandemievorbereitung und -bewältigung nutzen. Leider fokussiert der Bundesrat in seinem Bericht stark auf Alters- und Pflegeheime und Institutionen für Menschen mit Behinderungen und stellt die Erkenntnisse nicht in einen grösseren Zusammenhang. 

Nach der ersten COVID-19-Welle forderten Barbara Gysi und Laurent Wehrli mit Vorstössen einen Bericht zur Situation von älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen, insbesondere in Wohnheimen. Maya Graf forderte zudem einen Bericht, wie Dienstleister für Menschen mit Unterstützungsbedarf und Behindertenorganisationen bei Pandemien besser einbezogen werden können. 

ARTISET und die Branchenverbände begrüssen, dass die Ergebnisse der Studien nun publiziert wurden. Viele der Erkenntnisse sollten Platz finden bei der Teilrevision des Epidemiengesetzes. Nach Ansicht von ARTISET ist dies aber bis jetzt nicht erfolgt: 

  • Psychische, seelische oder soziale Aspekte im Verständnis von Gesundheit werden im Gesetzesentwurf nur nachgelagert behandelt. 

  • Es fehlt: Für Menschen mit Unterstützungsbedarf, die in Gemeinschaftseinrichtungen wohnen, dürfen grundsätzlich keine anderen Massnahmen gelten als für die übrige Bevölkerung. 

  • Es fehlt: Der direkte Einbezug der Leistungserbringer und weiterer Akteure der Zivilgesellschaft bei der Bewältigung einer Pandemie muss garantiert sein. 

Wichtige Erkenntnisse, aber an wen adressiert? 

Der Bundesrat nennt in seinem Bericht wichtige und zentrale Erkenntnisse aus den diversen Studien. So wird das verursachte Leid aus den fehlenden Kontaktmöglichkeiten als Folge der anfänglich strikten Abschottung von Wohnheimen explizit hervorgehoben. Auch die damit verbundene Einschränkung der Freiheitsrechte der Bewohner:innen wird genannt. 

Dass keine ausreichende Differenzierung der Schutzmassnahmen zwischen Langzeitpflege für vulnerable, ältere Menschen und sozialer Betreuung stattgefunden hat, wird ebenso als Erkenntnis aufgeführt wie auch dass zu wenig Rücksicht darauf genommen wurde, dass ältere Menschen keine homogene Gruppe darstellen. Dies gilt in gleichem Masse für Menschen mit Behinderungen, die von Massnahmen für Wohnheime betroffen waren. 

Der Bundesrat stellt zusammenfassend fest, «dass es nicht in allen Phasen der Pandemie gelungen ist, die Schutzmassnahmen für ältere Menschen und Bewohnerinnen und Bewohner in Heimen verhältnismässig auszugestalten, was ihre individuelle Freiheit und Selbstbestimmung angeht.» Diese Aussagen sind zentral, doch bleiben sie als Analyseergebnisse einfach stehen. Was passiert mit diesen Erkenntnissen und wer kümmert sich darum? 

Vier Schlüsselerkenntnisse, im Fokus vor allem die Wohnheime 

Der Bundesrat formuliert vier Faktoren, die für die Bewältigung von künftigen Gesundheitskrisen wichtig sind: 

  • Perspektive der betroffenen Personen einbeziehen und Selbstbestimmung fördern 

  • Mehr Bewusstsein für die Heterogenität von Betreuungssituationen und Lebenswelten im Alter durch Einbezug der relevanten Akteure 

  • Pandemievorbereitung in Alters- und Pflegeheimen sowie Wohnheimen für Menschen mit Beeinträchtigungen verbessern 

  • In die Qualität der Langzeitpflege investieren 

Diese Ansätze sind im Licht einer gesamtgesellschaftlichen und ganzheitlichen Betrachtung zu begrüssen. Es verwundert allerdings, dass der Bundesrat bei diesen Punkten einen speziellen Fokus auf den Verbesserungsbedarf bei den Wohnheimen für ältere Menschen oder Menschen mit Behinderungen richtet.  

Die Leistungserbringer forderten von Anbeginn der Pandemie eine stärkere Berücksichtigung genau dieser Punkte zur Bewältigung der Pandemie wie auch einen direkten Zugang zu den Behörden. Dieser kam erst nach intensivem Intervenieren der Leistungserbringer zustande und konnte für den Fortgang der Pandemie in eine gute Zusammenarbeit münden. Genau diese Erkenntnisse sind für die Anpassung der Gesetzgebung entscheidend.  

Es ist richtig, dass der Bund für die Umsetzung von Massnahmen lediglich «Empfehlungen» aussprach und nur von Kantonen teilweise direkte Anordnungen erfolgten. Dabei darf aber nicht vergessen gehen, dass der Bund mit seinen «Empfehlungen» einen massiven Druck ausübte.

Intensive Forschung über 4 Jahre für die Erstellung des Berichts 

Das BAG führte diverse Studien durch, an denen vor allem die direkt angesprochenen Branchenverbände CURAVIVA und INSOS mitgewirkt haben. Die Branchenverbände regten auch Zusatzstudien an, die das Erleben und die Sichtweise der Betroffenen vertieft aufnahmen und analysierten. Daraus konnte viel Erfahrungswissen für die Erstellung des Postulatsberichts zusammengetragen werden. Dieser Fundus sollte von allen Akteuren des Gesundheitswesens gemeinsam genutzt werden, um auf künftige Gesundheitskrisen vorbereitet zu sein.  

Hier geht's zum Bundesratsbericht

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