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Wie soziale Einrichtungen gut durch die Pandemie kommen

28. Juni 2021 / Jenny Nerlich
Mehr Abstand, weniger Besuche. Auch in sozialen Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigung gelten während der Covid-19-Pandemie Schutz- und Hygienemassnahmen. Wie es den Bewohnenden unter diesen Massnahmen im ersten Pandemiejahr erging und was sich die Angehörigen wünschen, hat nun eine Studie des BAG erhoben. Wir haben die Ergebnisse gelesen und für Sie daraus drei Themen genauer betrachtet.

Die Covid-19-Pandemie und ihre Lockdowns gehen an den wenigsten Menschen spurlos vorbei. Wie geht es Menschen mit Beeinträchtigung und im Alter unter diesen besonderen Bedingungen? Wie werden die Schutzmassnahmen in den sozialen Einrichtungen von den Bewohnenden und Angehörigen aufgenommen und bewertet? Diese Fragen wurden in einer Studie des Bundesamts für Gesundheit (BAG)1 untersucht. Befragt wurden die Leitenden, das Betreuungspersonal und die Angehörigen der Bewohnenden. Die ersten Ergebnisse der Studie wurden nun veröffentlicht. Wir haben sie gelesen und stellen Ihnen daraus drei Themen mit Fokus auf Menschen mit Beeinträchtigung vor, die für Sie besonders interessant sein können.

 

Thema 1: Wie die Bewohnenden auf die Schutzmassnahmen reagierten

Während der Covid-19 Pandemie wurden in sozialen Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigung Schutz- und Hygienemassnahmen veranlasst, an die sich das Personal und die Bewohnende halten mussten. Dazu gehörte u.a. regelmässiges Händewachen und das Tragen von Masken. Für die Bewohnenden wurden ausserdem Besuche und Ausgänge eingeschränkt. Das stiess zwar bei der Hälfte der Bewohnenden auf Verständnis, aber der Grossteil litt emotional unter diesen eingeschränkten Besuchs- und Ausgangsregeln. Auch die eingeschränkten Alltagsroutinen und die verschärften Hygienevorschriften belasteten die Bewohnenden.


Die Schutz- und Hygienemassnahmen wirkten sich auch auf die Gesundheit der Bewohnenden aus. Die Hälfte von ihnen litt vermehrt unter psychischen Beschwerden. Zudem sorgten die eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten und Aktivitäten ausserhalb der Einrichtungen für einen physischen Abbau der Bewohnenden. Geistig blieben jedoch die meisten fit.

 

Thema 2: Wie die Angehörigen die Schutzmassnahmen bewerteten

Auch für die Angehörigen der Bewohnenden waren die Schutz- und Hygienemassnahmen in den sozialen Einrichtungen nicht immer leicht auszuhalten. Denn Besuche waren beschränkt und nur unter der Einhaltung der Schutzmassnahmen erlaubt. Dazu gehörte, dass die Angehörigen und Bewohnenden Masken tragen und Abstand halten mussten. Der Grossteil der Angehörigen zeigte Verständnis, empfand die Massnahmen aber trotzdem als Belastung. Einige fühlten sich hilflos.


Gefragt nach ihren Meinungen zum Besuchsverbot bei steigenden Fallzahlen, sprach sich die Mehrheit der Angehörigen dafür aus, dass Besuche unter besonderen Vorkehrungen, wie z.B. das Tragen von Masken, weiterhin möglich sein sollten. Vor allem im Sterbefall sollten Besuche erlaubt sein. Davon war die überragende Mehrheit der Angehörigen überzeugt.
Für die Zukunft wünschen sich viele Angehörige klare und einheitliche Besuchs- und Ausgangsregelungen. Zudem möchten sie stärker einbezogen werden, wenn Regelungen geplant oder geändert werden.

Thema 3: Was die Institutsleitenden zum Wohl der Bewohnenden und Angehörigen unternahmen

Um die negativen Auswirkungen der Schutzmassnahmen auf die Bewohnenden so gering wie möglich zu halten, legten die Leitenden der sozialen Einrichtungen verschiedene Massnahmen fest. Dazu gehörte vor allem, dass den Bewohnenden mehr Zuwendungen entgegengebracht wurde. Gespräche, gemeinschaftliche Spiele und Beschäftigungen federten den Mangel an Besuchen und Ausgängen ab. Auch ging das Betreuungspersonal verstärkt auf die Bedürfnisse, Wünsche und Ängste der Bewohnenden ein. Ausserdem konnten die Bewohnenden via Videotelefonie mit ihren Angehörigen und Freunden sprechen.

Beim Festlegen von Schutzmassnahmen ist vielen Leitenden wichtig, die Angehörigen und Bewohnenden miteinzubeziehen. Besonders wichtig ist den Leitenden ausserdem, die neuen Regeln klar zu definieren und diese den Betroffenen immer wieder zu erklären und zu begründen. Ebenso wichtig erachten die Leitenden auch, für die Anliegen der Angehörigen stets ein offenes Ohr zu haben und Fragen gut verständlich zu klären.

 

Ausblick: Was bei zukünftigen Pandemien wichtig ist

Die sozialen Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigung sind von der Covid-19-Pandemie stark betroffen. Nicht nur die Bewohnenden leiden unter den Schutzmassnahmen, auch das Personal steht unter einer erhöhten Arbeitsbelastung. Daher wünschen sich Institutsleitenden für zukünftige Pandemien vor allem einen Reservepool an qualifiziertem Personal, das einspringen kann, wenn Not am Mann oder an der Frau ist. Auch die Pandemiekoordination durch den Bund und die Kantone könnte, gemäss der Leitenden, besser funktionieren. Dazu kommt, dass sich die Leitenden vom Bund eine einheitliche nationale Strategie zur Bekämpfung der Pandemie wünschen und bei den Festlegungen von Schutzmassnehmen stärker miteinbezogen werden. So liesse sich besser auf die Bedürfnisse der Bewohnenden eingehen, der bewährte Alltag aufrechterhalten und die Arbeitsbelastung des Personals verringern.

1Ressortforschungsstudie des BAG «Corona Krise: Analyse der Situation von älteren Menschen und Menschen in Institutionen». Online zu finden unter der Überschrift «Ressortforschungsstudie im Bereich Ältere Menschen / Heime»: www.bag.admin.ch/bag/de/home/das-bag/publikationen/evaluationsberichte/evalber-uebertragbare-krankheiten.html

 

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