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SOCIALSTORE AWARD | «Langlebigkeit ist wichtig für nachhaltige Produkte»

24. September 2021 / Jenny Nerlich
Mit der spacigen Zitruspresse «Juicy Salif» kann man unhandlich Zitronen auspressen. Aber wie muss ein Küchengerät konzipiert sein, damit es auch praktisch ist? Das haben wir Michael Thurnherr gefragt. Er ist Juror in der Kategorie «Heim & Küche» bei den diesjährigen Socialstore Awards. Im Interview erklärt er, wie Haushaltsgeräte nachhaltiger werden können.

Was macht ein praktisches Produkt für Küche und Heim aus?

Praktisch soll es sein. Das bedeutet, dass das Produkt hilft ein tatsächliches Problem möglichst gut zu lösen. Für mich erfüllt es das nur dann wirklich, wenn es zudem mein Auge nicht stört, also schön ist.

 

Warum werden unpraktische Küchenprodukte wie z.B. die Zitronenpresse «Juicy Salif» von Philippe Starck entworfen?

Dass auch Unpraktisches entworfen wird, finde ich erfrischend und wunderbar. Ob das auch verdient hat, umgesetzt, sprich in grossen Mengen produziert zu werden, ist jedoch fragwürdig. Die Juicy Salif von Starck provoziert, löst Emotionen aus und entlockt Reaktionen. Ich kenne keine zweite Zitruspresse, die häufiger als Bild verewigt wurde, keine über die so kontrovers diskutiert wird - von Fachleuten wie von Laien. Das find ich grossartig!
Im Entwurfsprozess sucht man Lösungen für reale Probleme, die besser sind als die, die es schon gibt. Wobei «besser» als Kriterium präzise definiert werden muss. Der kreative Prozess kennt jedoch vorerst keine Kriterien. Man stösst auf Ansätze, die vielleicht lustig, besonders schön oder besonders innovativ sind, aber letztendlich mehr neue Probleme schaffen als sie lösen. Im schlechtesten Fall sind sich Gestalter*innen dessen nicht bewusst oder kümmern sich gar nicht darum. Manchmal sind Produktideen rein konzeptionell gedacht, bekommen aber auf dem Markt ein Eigenleben fern von ihrer eigentlichen Funktionalität.

 

Wohin geht der aktuelle Wohntrend?

Ich mag den Begriff Trend nicht. Zu jedem sogenannten Trend kann genauso gut ein Gegentrend ausgemacht werden. Zudem gibt es grosse Unterschiede je nach Kultur und Ort. Nach Jahrzehnten des Mehr und Grösser werden wir gar nicht darum herumkommen, uns über Weniger und Kleiner Gedanken machen zu müssen. Ich würde daher die Frage nach Trends – und die vermeintliche Hoffnung darauf Antworten zu finden – mit Fragen zur Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit austauschen.


Einverstanden. Was bedeutet die aktuelle Notwendigkeit zum Weniger und Kleiner für das Design von Möbeln und Haushaltsgeräten?

Wir müssen eingesetzte Ressourcen intelligenter nutzen, weglassen, was nicht nötig ist und Produkte funktional, technisch und konstruktiv auf das Wesentliche reduzieren. Anstelle von linearem Denken, müssen Produkte für Kreisläufe konzipiert sein. Diesen Ansatz nennt man Circular Economy. Die Langlebigkeit ist eines der wichtigsten Kriterien in Bezug auf die Nachhaltigkeit von Produkten. Je länger ein Produkt lebt, desto besser. Wertigkeit, Reparierbarkeit, emotionale Verbundenheit, Qualität tragen dazu bei. Ein anderer Aspekt ist die Shared Economy. Hier geht es um Nutzen statt Besitzen, damit Ressourcen möglichst effizient eingesetzt werden können.

 

Was ist Ihre Motivation als Jurymitglied bei den Socialstore Awards teilzunehmen?

Ich sehe darin eine Chance, die Akzeptanz der daran beteiligten Institutionen und ihrer Produkte zu erhöhen und es würde mich freuen, wenn ich auch einen Beitrag zur weiteren Professionalisierung leisten könnte.

 

Unser Gesprächspartner

michaelthurnherr web

Michael Thurnherr ist Hochbauzeichner, Produktdesigner und zweimaliger Gewinner des «Red Dot Design Award: Best of the Best». Er leitet das Designstudio 2ND WEST und arbeitet ausserdem als Yogalehrer.

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