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Mitwirkung 1 | Mitbestimmung statt Fremdbestimmung

14. November 2019 / Annina Studer & Anita Heinzmann
Betriebsräte und Personalkommissionen gibt es auch in Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Noch nicht flächendeckend, aber es werden immer mehr.

Mitwirkung im Betrieb heisst: Arbeitnehmende sind bei Entscheidungsprozessen im Unternehmen einbezogen. Mitwirkung kann in der Form einer Personalkommission, eines Betriebsrats oder eines ad-hoc-Gremiums erfolgen. Ihre Kernaufgabe besteht darin, kollektive Anliegen zu formulieren, eine gemeinsame Haltung zu finden und schliesslich mit den Arbeitgebenden über Lösungsansätze zu verhandeln.

In der Schweiz sind die Arbeitsbedingungen durch landesweite Branchen-Gesamtarbeitsvertrage (GAV) oder durch Gesamtarbeitsvertrage auf betrieblicher oder kantonaler Ebene geregelt. Das Obligationenrecht (OR) regelt Arbeitsbedingungen nur minim. Auch das 1993 eingeführte Mitwirkungsgesetz enthalt als Rahmengesetz nur wenige Vorschriften. Für die konkrete Ausgestaltung der Mitwirkungsregelungen lasst es den Sozialpartnern grossen Spielraum.

Deutschland und die Werkstatträte

Die Mitwirkung von Arbeitnehmenden in Werkstatten wird heute unterschiedlich umgesetzt. Einige Unternehmen machen heute mehr als gesetzlich gefordert.

Sie stutzen sich auf ihren Kernauftrag der beruflichen Inklusion im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention: Sie sehen in der Mitwirkung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Behinderung nicht nur eine Pflicht, sondern auch ein Potenzial.

"Eine aktuelle Studie zeigt: Heute hat erst ein Drittel der Schweizer Werkstätten eine Arbeitnehmendenvertretung."

Eine aktuelle Studie von Nathalie Benelli sowie Kolleginnen und Kollegen (≪Conditions de travail dans les ateliers pour personnes en situation de handicap≫, 2019) zeigt: Von 92 befragten Werkstatten hat heute erst rund ein Drittel eine Arbeitnehmendenvertretung. Diese sehen folgendermassen aus:

  • 4 Vertretungen sind gemischte Personalkommissionen.
  • 9 Vertretungen haben ausschliesslich Mitglieder, die eine Behinderung haben.
  • 16 Vertretungen sind Personalkommissionen, in denen keine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Behinderung vertreten sind.

Anders sieht es beispielsweise in Deutschland aus: Dort gibt es in jedem Betrieb für Menschen mit Behinderung einen Werkstattrat, der überregional und national vernetzt ist. Für diese breit angelegte Mitwirkung ist die 2001 eingeführte Werkstatten- Mitwirkungsverordnung verantwortlich, die 2016 reformiert und erweitert wurde. In Deutschland gibt es seither Frauenbeauftragte, mehr Mitbestimmungsrechte und Weiterbildungsangebote.

Das hat Vorbildcharakter.

17 Schweizer Werkstätten befragt

Die Studie von Benelli et al. zeigt: Mitwirkungsgremien sind in Schweizer Werkstatten noch nicht weit verbreitet. Doch wie sehen die Mitwirkungsmöglichkeiten in Institutionen aus, die Arbeitnehmende direkt involvieren? Welche Formen der Mitwirkung haben sich in den letzten Jahren etabliert? Und wie vertreten die Arbeitnehmenden mit Behinderung ihre Interessen?

INSOS Schweiz hat in den letzten Monaten zu diesen Fragen eine qualitative Studie in Unternehmen der beruflichen Integration ("Werkstatten") durchgeführt. Wir haben 17 Betriebe in verschiedenen Regionen der Schweiz besucht und Arbeitgebende, Arbeitnehmendenvertreter.innen, Fach und Assistenzpersonen eingehend befragt.

Erstmals präsentiert werden die Resultate der Studie an der INSOS-Fachtagung "Mitbestimmen im Betrieb" vom 14. November 2019.

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(Artikel "Mitbestimmen statt Fremdbstimmung" - INSOS-Magazin)




Bild: Matthias Luggen

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