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MITWIRKUNG | Schlosshotel Leuk: Mitwirkung Schritt für Schritt fördern

29. Oktober 2020 / Anita Heinzmann
Als Kleinbetrieb setzt das Schlosshotel Leuk nicht auf eine klassische Arbeitnehmendenvertretung. Mitwirkung wird trotzdem grossgeschrieben. Martina Schnyder, Geschäftsführerin der Wohn- und Arbeitsgemeinschaft Schlosshotel Leuk, erklärt, was sich dadurch bereits verändert hat. Und mit welchen Fragen sie ihr eigenes Handeln immer wieder reflektiert.

Das Schlosshotel Leuk hat 2019 am INSOS-Projekt «Mitwirkung in Unternehmen der beruflichen Integration» (vgl. Infos ganz unten) teilgenommen. Was hat sich seither bezüglich Mitwirkung verändert?

Die Teilnahme am Projekt hat bei mir viel Reflexion ausgelöst. Ich denke oft darüber nach, wo es im Arbeitsbereich Entscheidungen gibt, die ohne das Personal mit Beeinträchtigungen getroffen werden. Ich frage mich als Geschäftsführerin dann bewusster, ob das legitim ist. Ab wann gilt Mitbestimmung? Wo bestimmt wer mit? Diese Fragen beschäftigen mich im Alltag. Und aufgrund dieser Auseinandersetzung konsultiere ich bewusster das ganze Personal im Haus zu gewissen Fragen oder informiere bewusster. Manchmal führt das bei mir als Leitungsperson aber auch zu einem Dilemma. Ich frage mich dann: Ab wann braucht es grundsätzlich Hierarchie oder Entscheidungen seitens der Leitung? Die Organisationsform trägt viel dazu bei, wie diese Entscheidungen getroffen werden.

Gibt es konkrete Beispiele von Veränderungen im Betrieb?

Ein Beispiel ist, dass wir die Form der Mitarbeitendengespräche angepasst haben. Da bei uns der Wohn- und Arbeitsbereich so nahe beieinander liegen, schien es uns für die Wahrnehmung der Rolle als Arbeitnehmende wichtig, Gespräche zu führen, in denen es ausschliesslich um Arbeitsthemen geht. Ich habe mir überlegt, weshalb eigentlich nicht die Punkte des Mitarbeitendengesprächs gleich thematisieren wie beim Begleitpersonal? Das haben wir dann direkt umgesetzt. Ich kann dadurch Anregungen oder Veränderungswünsche viel bewusster wahrnehmen und abholen. Und die Mitarbeitenden können sich darauf vorbereiten, weil sie wissen, dass dort nachgefragt wird. Es geht beispielsweise um Themen wie Arbeitszeiten, Schichtenmodell etc. Mich hat beeindruckt, wie differenziert die Antworten waren. Ziele konnten auch besser definiert werden durch die Mitarbeitenden selbst und die Motivation daran zu arbeiten war grösser.

Das klingt spannend. Inwiefern konnten Ziele im Rahmen der Mitarbeitendengespräche besser definiert werden?

Beispielsweise äusserte ein Mitarbeiter, dass er es bedauert, nicht in der Lingerie arbeiten zu dürfen. Seine Annahme beruhte jedoch auf einem Missverständnis, welches für lange Zeit unbemerkt blieb. Unklar war auch, wie diese zustande kam. Solche Missverständnisse können in Mitarbeitendengesprächen gezielter und schneller aufgedeckt werden.

Welches sind die nächsten Schritte in Sachen Mitwirkung?

Wir sind ein sehr kleiner Betrieb. Bei uns würde eine klassische Arbeitnehmendenvertretung keinen Sinn ergeben. Dennoch ist die kollektive Interessensbildung wichtig. An einer inklusiven Schulung prüfen wir, ob es dafür eine externe Moderation braucht. Zudem beschäftigte mich, dass die Mitarbeitenden zu wenig informiert darüber waren, was eine Gewerkschaft ist und welche Aufgaben sie hat. Die Mitarbeitenden sollen dazu Informationen erhalten und sich Gedanken machen können, ob sie einer Gewerkschaft beitreten wollen.

Was kann INSOS Schweiz leisten damit Mitwirkung in Unternehmen der beruflichen Integration gut gelingt?

Weiterhin die Diskussion und Auseinandersetzung bei den Mitgliedern anregen, Netzwerke schaffen und auf inklusiver Ebene den Praxiserfahrungsaustausch ermöglichen resp. anregen. Dies, damit Chancen auf Mitwirkung erkannt und genutzt werden und die Mitwirkung im Betrieb stetig weiterentwickelt werden kann.

3 zentrale Reflexionsfragen von Martina Schnyder

  1. Bei welchen Themen und Entscheidungen bestimmen die Mitarbeitenden mit Beeinträchtigung in unserem Betrieb mit?
  2. Ab wann braucht es bei uns grundsätzlich Entscheidungen seitens der Leitung?
  3. Wo fällen wir im Arbeitsbereich Entscheidungen, bei denen die Mitarbeitenden mit Beeinträchtigungen (noch) nicht involviert werden?
 

Blog-Reihe «Fokus Mitwirkung» und Broschüre «STEP BY STEP»

2019 hat INSOS Schweiz in 17 Unternehmen der beruflichen Integration («Werkstätten») Interviews mit Arbeitnehmenden, Arbeitgebenden sowie Assistenzpersonen zum Thema Mitwirkung geführt. Daraus ist im Sommer 2020 die Broschüre «Step by Step – In 10 Schritten zur Arbeitnehmendenvertretung» entstanden. Die Broschüre erklärt Mitwirkung, unterstützt die Gründung von Arbeitnehmendenvertretungen und hilft, die Qualität von Mitwirkung zu überprüfen. In der Blogreihe «Fokus Mitwirkung» ergänzen Beiträge aus der Praxis und Wissenschaft Inhalte der Broschüre. Sie dienen der Inspiration und veranschaulichen Aktuelles zum Thema Mitwirkung.

«STEP BY STEP» HERUNTERLADEN

BROSCHÜRE IN LEICHTER SPRACHE HERUNTERLADEN

 

Schlosshotel Leuk

Die Arbeits- und Wohngemeinschaft Schlosshotel Leuk bietet 15 Menschen mit Behinderung im Hotelbetrieb Arbeitsplätze, an denen sie ihre Talente entfalten und sich in die Gesellschaft integrieren können. Zudem bietet das Schlosshotel Wohnplätze mit der Unterstützung, die den individuellen Bedürfnissen entspricht.

Zur Website Schlosshotel Leuk

 

Kommentare

  • Von Anja Brenner / 03. November 2020

    Schön zu lesen, wie das Mitbestimmen aller Arbeitnehmenden im Schlosshotel umgesetzt wird! Weiter so!

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