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«Glaubwürdige Kommunikation baut Unsicherheit ab»

12. Februar 2021 / Barbara Spycher & France Santi
Die Corona-Situation in den Institutionen ist für alle herausfordernd. Kommunikationsexperte Joachim Tillessen von der Fachhochschule Nordwestschweiz sagt, worauf es in der Kommunikation mit dem Fachpersonal und mit den Bewohner*innen in solchen Krisen ankommt.

Das Interviews haben wir in Oktober 2020 geführt.

Im Lockdown war eine gute Krisenkommunikation gefragt. Was ist dabei zentral?

Eine solche Krise löst Ängste und Unsicherheiten aus, und da ist in erster Linie die Führungskommunikation in der Pflicht. Selbst dort, wo diese zuvor nicht sehr ausgeprägt war, müssen Führungspersonen rasch Verantwortung übernehmen, schnell und persönlich kommunizieren und dabei Wertschätzung, Vertrauen und Empathie vermitteln.

Über welchen Kanal gelingt dies am besten?

Möglichst nahe an der persönlichen Kommunikation, mit Vorteil in persönlichen Gesprächen. Während des Lockdowns, als dies wegen der Distanz vielerorts nicht möglich war, eigneten sich Videobotschaften dafür besonders gut. Sie kommen der persönlichen Kommunikation am nächsten und sind am authentischsten und glaubwürdigsten.

Das ist in einer solchen Krise besonders wichtig, denn man weiss, dass eine glaubwürdige Kommunikation Unsicherheiten abbaut. Dabei sollte diejenige Person zu Wort kommen, die thematisch am glaubwürdigsten ist. Das ist nicht zwingend die Person, die in der Hierarchie zuoberst steht. Beim Thema Schutzmaske beispielsweise hat ein Oberarzt eine höhere Glaubwürdigkeit als der Spitaldirektor.

«Videobotschaften kommen der persönlichen Kommunikation am nächsten und sind am glaubwürdigsten.»

Welche organisatorischen Massnahmen haben sich bewährt?

Wichtig ist auch, eine gute Verbindung zwischen den Entscheider*innen und den Kommunikatoren innerhalb der Organisation sicherzustellen. Das können sogenannte Verbindungsoffiziere oder eine Taskforce sein. Eine solche Taskforce fungiert als Bindeglied zwischen Mitarbeitenden und der Führung. Sie kommuniziert nicht nur top-down, sondern auch bottom-up, indem sie Inputs und Fragen der Mitarbeitenden sammelt und weiterleitet.

Hilfreich ist, der Taskforce ein Gesicht zu geben und Ansprechpersonen zu definieren, die nicht nur elektronisch, sondern auch telefonisch erreichbar sind. Zusätzlich kann im Intranet eine Plattform eingerichtet werden mit Fragen und Antworten zu wichtigen Themen, etwa Arbeitszeiten, Krankheit oder Kinderbetreuung zuhause. Natürlich ist der jeweilige Kontext entscheidend: Bei kleineren Organisationen ist die persönliche Kommunikation vielleicht möglich und ausreichend.

Ab Sommer waren wir in einer Art labilem Normalzustand, bis sich die Lage zuspitzte. Sind Taskforce und Anlaufstelle dann noch nötig?

Ja. Gerade die Anlaufstelle scheint mir nach wie vor sehr wichtig, damit die Mitarbeitenden in der angespannten Lage nicht allein gelassen werden.

Worauf ist während einem solchen labilen Normalzustand in der Kommunikation zu achten?

Im Vordergrund steht, die mittel und langfristige Zukunft zu skizzieren und diese auf die einzelnen Mitarbeitenden runterzubrechen. Diese interessieren sich in der Regel für ihre persönliche Situation: Sie wollen wissen, wie es mit ihren Aufgaben weitergeht, was von ihnen erwartet wird, was sie beitragen können oder wie sicher ihr Arbeitsplatz ist.

«Betriebe sollten in der Krise einen Must-Kommunikationskanal definieren und den Umgang damit klar regeln.»

Wie erreicht man Mitarbeitende, die im Homeoffice oder an verschiedenen Einsatzorten arbeiten oder kaum E-Mails lesen?

Eine Organisation kann sich zunutze machen, dass viele Mitarbeitende WhatsApp regelmässig privat nutzen und ebenfalls über diesen Kanal kommunizieren. Zu beachten gilt, Mitarbeitende für Geräte zu entschädigen, die sie beruflich nutzen müssen.

Alle sind von Informationen überflutet. Wie kommen die Botschaften trotzdem an?

Erstens sollte ein Informationsmittel als Must-Kommunikationskanal definiert werden – zum Beispiel E-Mail. Dann ist allen klar, dass sie ihre E-Mails regelmässig checken, auf den anderen Kanälen aber nicht ständig präsent sein müssen.
Zweitens muss der Umgang mit den Kommunikationsmitteln im Unternehmen geregelt und bekanntgemacht werden. Das kann etwa bedeuten, dass am Wochenende keine Kommunikation rausgeht.
Drittens sollte die Kommunikation sehr präzis sein. Das kann durch Signalfarben in E-Mails verstärkt werden, die bei jedem Punkt deutlich machen, ob es nur eine Info ist, ob es dringend ist oder ob eine Antwort erwartet wird.

Bei all diesen Ansätzen geht es nicht nur darum, den eigenen Botschaften Gehör zu verschaffen, sondern auch, den Stress der Mitarbeitenden zu reduzieren, der durch Corona weiter zugenommen hat.

Und wie kommuniziert man mit Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen?

Um ein grosses Thema kurz zu beantworten: über Leichte Sprache oder entsprechende Technologien. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Lesefähigkeit generell abnimmt. Nur 50 Prozent der Belegschaft beispielsweise eines Industrie- oder Gewerbebetriebs verstehen einen normalen Text. Informationen auf Plakaten und mit Piktogrammen sind daher ein probates Kommunikationsmittel für immer mehr Empfänger *innen.



Bild: valentinrussanov/iStock

 

Unser Gesprächspartner

Joachim Tillessen ist Dozent an der FHNW und Leiter des Masterstudiengangs Corporate Communication Management.

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