Internationaler Tag Menschen mit Behinderung

3.12.22 | Wir geben Selbstvertreter:innen das Wort

03. Dezember 2022 / France Santi
Heute ist der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung. Bei der Gelegenheit haben wir 6 Selbstvertretern∙innen das Wort überlassen.

Sie sprechen mit uns über:

  • ihre Motivation, ihre Interessen zu vertreten
  • wie wichtig es ist, mitreden zu können
  • Bereiche, in denen noch mehr Partizipation gefordert ist
 

Jonas Michlig

Mitglied der Begleitgruppe Aktionsplan UN-BRK

Warum sind Sie Selbstvertreter geworden?

Als Selbstvertreter kann ich meine Meinung ausdrücken. Und die Meinung der anderen Leute, die ich vertrete, einbringen.

Warum ist es wichtig, mitreden zu können?

Es ist nicht gut, wenn nur eine Person für die anderen entscheidet. Alle sollen mitreden und mitentscheiden können.

Die Institution hat manchmal eine andere Meinung als die Bewohnenden. Deshalb ist es wichtig, dass die Bewohnenden ihre Meinung sagen und mit der Institution diskutieren können. Um zu sagen, was wir wollen und was wir nicht wollen.

Wo ist noch mehr Partizipation nötig?

Es gibt sicherlich Bereiche, in denen man nicht viel mitreden kann. Zum Beispiel in der Politik. Aber das ist vielleicht kompliziert. Es gibt einige politische Themen, bei denen ich gerne mitreden würde. Aber nicht alle. Bei einigen Themen habe ich keine Ahnung und möchte lieber nicht mitreden.

 

Théodule Gachet

Mitglied des Personal- und Bewohnerkomitees, Fondation Foyer-Handicap

Warum sind Sie Selbstvertreter geworden?

2016 habe ich mich als Kandidat für die Personalkommission aufstellen lassen. Ich habe bei der Stiftung, bei der ich arbeite, viel Verbesserungspotential gesehen und wollte die Kommission neu beleben. Und es läuft gut. Aber auch die Geschäftsleitung wollte, dass die Personalkommission aktiver wird.

Durch die Arbeit in der Personalkommission kann ich etwas bewirken. Ich setze mich für mehr Inklusion und Gleichstellung am Arbeitsplatz ein. Sowohl in sozialer Hinsicht als auch in Bezug auf die Löhne.

Warum ist es wichtig, mitreden zu können?

Zuerst einmal, weil die Person, die von etwas betroffen ist, auch als erste dazu befragt werden sollte. Oder man sollte zumindest nach ihrer Meinung fragen. Und zweitens, weil so jede Diskussion konstruktiv ist. Durch Diskussionen findet man einen Konsens.

Wo ist noch mehr Partizipation nötig?

Als ich meine Arbeit aufgenommen habe, hatten wir keine grosse Auswahl an Berufen und wir wurden nicht wirklich nach unserer Meinung gefragt. Heute ist es schon viel besser, aber es liegt noch ein langer Weg vor uns.

Ansonsten denke ich, dass die IV die Unternehmen noch mehr unterstützen sollte, damit sie ihre Räumlichkeiten zugänglich machen können. Wenn ein Unternehmen Menschen mit Behinderung anstellen möchte, dies aber nicht kann, weil die Arbeiten zu teuer sind, sollte die IV helfen.

 

Nelli Riesen

Mitglied der Begleitgruppe Aktionsplan UN-BRK

Warum sind Sie Selbstvertreterin geworden?

Mein Anliegen ist es, mich für eine bessere Kommunikation zwischen Menschen einzusetzen. Es gibt viele Menschen, mit und ohne Behinderung, die nicht gehört werden. Oft, weil sie nicht verstehen, worum es geht, äussern sie sich nicht.

Ich halte Vorträge und Referate zu Themen, die mir wichtig sind. Zum Beispiel zu den begriffen der UN-BRK: Selbstbestimmung, Autonomie und Teilhabe.

Warum ist es wichtig, mitreden zu können?

Ich konnte bis 37-jährig nur mein stereotypisches «Ja» sagen, was eben auch «Nein» bedeuten kann. Ich habe also keine Möglichkeit gehabt, mich mit Worten differenziert auszudrücken. Meine Emotionen drückten sich mit Weinen, Schreien und Singen nicht gerade für alle verständlich aus.

Mit der Gestützten Kommunikation hat sich das grundlegend geändert. Heute werden meine getippten Worte gehört. Ich habe die Möglichkeit, mich klar und differenziert auszudrücken.

Wo ist noch mehr Partizipation nötig?

Ein Mensch, unabhängig von seiner Verfassung, muss überall mitreden und mitentscheiden dürfen, wo er betroffen ist.

Bis wir das erreicht haben, braucht es noch viele Worte von Selbstvertreter:innen und ein aufmerksames Zuhören der scheinbar «Normalen». Denn die «chronisch Normalen» müssen etwas unternehmen, sonst werden wir nie das Ziel einer gemeinsamen Inklusion erreichen.

 

Walter Schmucki

Mitglied der Begleitgruppe Aktionsplan UN-BRK

Warum sind Sie Selbstvertreter geworden?

Es ist für mich wichtig, Anliegen von Menschen mit Beeinträchtigung einzubringen. Das heisst, sagen zu können: das muss man besser machen oder das ist noch nicht gut. Und Menschen mit Beeinträchtigung unterstützen zu können. Ihnen zeigen, was ihre Rechte sind. Zum Beispiel, dass sie abstimmen dürfen.

Warum ist es wichtig, mitreden zu können?

Mitreden ist wichtig, da wir die betroffenen Personen sind! Es kann nicht sein, dass die anderen sagen, was für uns gut oder nicht gut ist.

Wo ist noch mehr Partizipation nötig?

Informationen soll es mehr in Leichter Sprache geben. Und Texte auf Webseiten sollen vorgelesen werden können. Zum Beispiel mit einem Klick auf einen Knopf.

 

Emmanuelle Raths

Mitglied des Personal- und Bewohnerkomitees, Fondation Foyer-Handicap

Warum sind Sie Selbstvertreterin geworden?

Durch die Arbeit in der Kommission kann ich mich mit Menschen mit unterschiedlichen Lebenswegen austauschen, unabhängig von ihrem Status oder ihrer Funktion in der Stiftung. Das ist sehr bereichernd. Zudem kann ich die Personen vertreten, die sich weniger gut oder gar nicht ausdrücken können.

Warum ist es wichtig, mitreden zu können?

Warum es für mich wichtig ist, meine Meinung sagen zu können? Zweifellos aus dem gleichen Grund wie für Sie! Jeder Mensch muss seine Meinung sagen können, oder nicht? ;-)

Ernsthaft: Es ist wichtig, dass wir zu Dingen, die uns betreffen, unsere Meinung sagen können, damit wir nicht alles erdulden müssen und nicht länger passive Empfänger bleiben.

Wo ist noch mehr Partizipation nötig?

Dies ist leider in vielen Bereichen so, denn in der heutigen Gesellschaft werden nur die gehört, die am lautesten sind. Es ist unvorstellbar, dass einige Menschen nicht über das Stimmrecht verfügen oder dass man ihre Begleitung fragt, ob Frau X Pommes möchte oder ob Herr Y weisse Schokolade mag usw.

Auch 2022 wird noch allzu oft angenommen, dass Menschen, die aufgrund von Gesundheitsproblemen «anders» sind, sich nicht ausdrücken können und dass sie auf Hilfe von Menschen ohne Behinderung angewiesen sind, die die Kommunikation erleichtern oder für sie antworten. Das Recht auf Mitsprache ist ein Menschenrecht, von dem zu viele Menschen, auch ohne Behinderung, ausgeschlossen werden.

 

Simon Berger

Mitglied der Begleitgruppe Aktionsplan UN-BRK

Warum sind Sie Selbstvertreter geworden?

Selbstvertreter sein ist eine sehr gute Sache. Für mich und für die Institution. Weil ich meine Meinung sagen kann und die Meinungen anderen Leuten weitergeben kann. Und die Sachen so verändern kann.

Warum ist es wichtig, mitreden zu können?

Wir haben jetzt Gleichberechtigung, dank der UN-BRK. Es muss jetzt umgesetzt werden. Man muss mitreden können.
Mein grösstes Ziel ist momentan in den Kantonsrat einzutreten.

Wo ist noch mehr Partizipation nötig?

In Bezug auf die Partizipation sind nicht alle Institutionen gleich weit. Bei gewissen Institutionen gibt es noch viel zu tun.

 

Fotos: Matthias Spalinger et Céline Meyer

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