Abstimmung-25.-November-KEYSTONE-THUMB-240542275.jpg

2x NEIN am 25. November

16. Oktober 2018 / Tschoff Löw
Am 25. November stimmen wir über die Selbstbestimmungs-initiative und den Überwachungsartikel ab. Die Initiative ist sehr gefährlich. Und der Überwachungsartikel ein Gemurkse. Beide Vorlagen beschneiden Grundrechte und wirken sich für Menschen mit Behinderungen negativ aus.

NEIN zur Selbstbestimmungsinitiative

Die Selbstbestimmungsinitiative will der Bundesverfassung absoluten Vorrang vor dem Völkerrecht geben. Einzig zwingendes Völkerrecht, also etwa das Verbot von Völkermord, Sklaverei oder Folter, wäre dann noch einzuhalten.


Die Initiative zielt auf die EMRK

Die Europäische Menschenrechtskonvention EMRK schützt die Grundrechte aller Menschen. Speziell wichtig ist dieser Schutz für Individuen und Gruppen, die an den Rand der Gesellschaft gedrückt werden und nur wenig Gehör erhalten.

Bei einer Annahme der Selbstbestimmungsinitiative dürfte das Bundesgericht die EMRK für seine Urteile nicht mehr berücksichtigen. Eine Diskriminierung von einzelnen Menschen oder Gruppen wäre in der Schweiz damit möglich, Menschenrechte hin oder her. Auch könnten grundlegende individuelle Rechte nicht mehr eingeklagt werden.

Die Reife einer demokratischen Grundordnung zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie die allgemeinen Menschenrechte anerkennt. Und dass sie ein Klagerecht gegen mögliche Verstösse in Verfassung und Gesetzen bei einem supranationalen Gericht zulässt.


Via Mehrheitsbeschluss bei Abstimmungen liessen sich in Zukunft Menschenrechte weitgehend beschneiden. Minderheiten müssten nicht mehr respektiert werden. Eine Mehrheitsdiktatur könnte beispielsweise

  • unwidersprochen die Verfassung nach ihrem Gusto verbiegen, z.B. Französisch oder Italienisch als Landessprachen abschaffen.
  • oder das Diskriminierungsverbot von Menschen mit Behinderung aus der Verfassung kippen.


Ohne Menschenrechte noch immer kein Frauenstimmrecht

Wiederholt wirkte sich der Druck via EMRK positiv auf unsere Gesetzgebung aus: So z.B. bei der Einführung des Frauenstimmrechts oder beim Stopp der ‘administrativen Versorgung’ von Minderjährigen. Erst letztes Jahr führte die Schweiz eine neue IV-Berechnung für Teilzeit-Arbeitende ein, auf Druck eines Urteils des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Das wirkt sich vor allem für Frauen mit einer Behinderung positiv aus.



NEIN zum Überwachungsartikel

2016 rügte der europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Schweiz für die fehlende gesetzliche Grundlage bei der Überwachung von Versicherten, die Leistungen der Sozialversicherungen bezogen. Das Parlament hat nun im Eilverfahren ein Gesetz gezimmert, das über das Ziel hinausschiesst: Das Gesetz

  • schränkt Persönlichkeitsrechte massiv ein
  • und kann alle Menschen, die Leistungen von Sozialversicherungen beziehen, ins Visier nehmen.

Menschen mit Behinderung, die eine IV-Rente und (weil diese zum Leben nicht ausreicht) zusätzlich Ergänzungsleistungen erhalten, wären vom Überwachungsartikel überproportional stark betroffen.


Versicherungen können Überwachungen selber anordnen

Die Versicherungen bekommen weitgehende Befugnisse. Überwachungen können ohne richterliche Genehmigung angeordnet werden. Damit wird auch die Gewaltentrennung aufgehoben: Schliesslich sind die Versicherungen, die eine Überwachung anordnen, ebenfalls Partei in einem Verfahren.

Der Tatbestand des Missbrauchs von Sozialleistungen existiert bereits. Mit einer Anpassung der Strafprozessordnung könnten Überwachungen einheitlich geregelt werden. Die Anordnung einer Überwachung liegt dann bei der Staatsanwaltschaft, und die Überwachung spielt sich im Rahmen des Strafrechts ab. Dort, wo sie hingehört.


Wenn die Polizei den Privatdetektiv überwacht

Mit dem Überwachungsartikel im Sozialversicherungsrecht sind Konflikte mit der Strafprozessordnung, sprich zwischen Privatdetektiven und der Polizei vorprogrammiert. Stellen wir uns vor: Eine Person fühlt sich z.B. gestalkt und verfolgt. Sie geht zur Polizei. Diese wird aktiv und beginnt den Privatdetektiv, der eine Überwachung im Auftrag z.B. einer Krankenkasse ausführt, zu überwachen. Eine absurde Konstellation, die mit dem Überwachungsartikel aber möglich ist.

Fazit: Der betrügerische Missbrauch von Sozialversicherungsleistungen ist ohne Wenn und Aber zu verfolgen. Die vorgeschlagene Gesetzesänderung aber ist zu weitgehend, am falschen Ort eingebettet und verleiht den Hardlinern für eine Verschärfung des Sozialversicherungsrechts weiteren Schub.

Ihre Meinung zu diesem Beitrag