Seit Jahrzehnten untersucht eine Forschungsgruppe in Kanada, was die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz fordert. In der Gruppe unter der Führung der Simon-Fraser-Universität in Vancouver wirken Arbeitgeber*innen, Gewerkschaften, Arbeitsmediziner*innen sowie Expert*innen für Recht und Politik mit.
In der Schweiz steckt «GM@W» noch in den Kinderschuhen. Thomas Ihde-Scholl, Chefarzt der psychiatrischen Dienste der Spitaler fmi in Interlaken und Stiftungspräsident von Pro Mente Sana, hat das Programm für die Schweiz adaptiert.
Pro Mente Sana bietet interessierten Firmen das Programm «Mental Health@Work» an.
Die Forschungsgruppe verglich Betriebe, deren Mitarbeitende eine hohe psychische Gesundheit aufweisen, mit Betrieben, die lange Arbeitsausfalle wegen psychischer Erkrankung zu verzeichnen haben.
"Oft ist den Betrieben nicht bewusst, wie stark Stigmatisierungen Mitarbeitende belasten."
Ihre Erkenntnis: Es gibt 13 Faktoren, die sich positiv auf die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz auswirken. Die Forschungsgruppe erstellte eine Rangliste der 13 Faktoren und entwickelte das Programm «Guarding Minds at Work» («GM@W»).
Alle fünf Jahre überprüft sie die 13 Faktoren und passt sie an. Die aktuelle Rangliste sieht wie folgt aus.
Bis vor einigen Jahren ist diese Rangliste stabil geblieben. Mit der digitalen Transformation (Arbeitswelt 4.0) zeichnet sich jedoch ab, dass die Arbeitslast/ Arbeitsmenge (aktuell Rang 9) um drei Range an Wichtigkeit gewinnen wird.
Die Rangliste zeigt: Themen wie Wertschatzung und Lob, Arbeitsmenge oder auch die persönliche Passung von Mitarbeitenden spielen eine wichtige Rolle. Dies durfte Fachpersonen aus den Bereichen Arbeitsmedizin, HR oder Betriebliches Gesundheitsmanagement kaum erstaunen.
"Der gewichtigste Faktor ist jedoch die Stigmatisierung."
Der gewichtigste Faktor ist jedoch die Stigmatisierung (1. Faktor): In einem Betrieb, der offen mit dem Tabu-Thema "Psychische Belastung" umgeht, lassen sich bei psychischen Problemen frühzeitig gemeinsam Lösungen finden. Werden erkrankte Personen jedoch stigmatisiert, besteht die Gefahr, dass sich weitere Betroffene nicht outen und keine Unterstützung holen.
In Firmen-Workshops der Stiftung Pro Mente Sana hat sich gezeigt: Oft fehlt in Betrieben das Bewusstsein, welchen Einfluss eine Stigmatisierung auf die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden haben kann. Deshalb setzt das Programm «Mental Health@Work» von Pro Mente Sana, das auf «GM@W» basiert, genau an diesem Punkt an.
Die 13 Einflussfaktoren gelten für alle Unternehmen – unabhängig davon, ob es sich um grosse oder kleine Unternehmen im öffentlichen oder privaten Sektor handelt. Die Forschungsgruppe halt zudem fest, dass sowohl Führungspersonen wie Mitarbeitende beim Thema psychische Gesundheit in der (Mit-)Verantwortung sind.
"In Unternehmen, die die 13 Faktoren umsetzen, sind die Folgekosten von psychischen Belastungen 15 bis 33 Prozent tiefer."
Inzwischen hat eine Vielzahl von nationalen und internationalen Firmen und Organisationen «GM@W» umgesetzt, darunter Starbucks oder die Lloyds Banking Group. Ihre Mitarbeitenden sind nicht nur gesunder und produktiver, sondern auch innovativer und mit hohem Engagement bei der Arbeit, was sich auch auf den Erfolg des Unternehmens auswirkt.
Wissenschaftliche Studien zeigen: In Unternehmen, die die 13 Faktoren umsetzen, sind die Folgekosten von psychischen Belastungen 15 bis 33 Prozent tiefer als in anderen Betrieben.
Tom Bogli ist lösungsfokussierter Kurzzeitberater MAS und war Co-Leiter von «Mental Health@Work» bei Pro Mente Sana.Heute gibt er in Firmen Workshops zum Thema psychische Gesundheit.
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Foto: iStock/fizkes
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